Ziemlich anders: ein Leben mit Hund

Das Leben ist ja wohl nicht

ganz normal. Vieles bleibt da

unbegreiflich. Ein Hund hilft,

das besser zu ertragen.




Eben kommen wir mit Lily vom Strand zurück. Ein grosser Tag: Sie lief zum ersten Mal ohne Leine und hat sich sehr gut benommen. Wir waren bis zuletzt ein bissschen angespannt, sehen das nun aber etwas gelassener. Jetzt hat sie nur noch ein paar Macken, die wir ihr abtrainieren müssen, genauer: Ihre Impulskontrolle muss sich noch gewaltig steigern. Konkret heisst das: Mit der Nase im Zickzack alles abscannen, und wehe, es bewegt sich was! Dann rennt sie los, egal, ob ich am anderen Ende der Leine hinterher fliege. Am Sonntag ist der erste Hundekurs. Thema: „Freundliches, schwanzwedelndes Begrüssen“. Anstatt bellen, sich losreissen, und alle wild über den Haufen rennen. Eigentlich ist es ja mehr ein Haltertraining, denn entscheidend ist, was wir mit ihr im Alltag machen. So wie es im Café im Dorf an der Tür steht: "Hundehalter müssen an ihre Tiere angebunden sein".
Wir haben Lily nun eine Woche. Sie macht viel Spass und hat schon einiges gelernt. Da staune ich, wie schnell so ein Hund checkt, was los ist, naja, also meistens. Noch muss ich sie siebzehn Mal am Tag vom Sofa zerren, "nein" brüllen, um ihr dann zu bestätigen, was für ein gutes Mädchen sie ist. Und gleich noch einen Keks hinterher, als Belohnung fürs freundliche Zuhören.
  

Lily prägt nun das Leben - so gut sie kann.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 Die Türe bleibt jetzt offen

Schon muss man ganz einfache Dinge durch organisieren. Bisher hat man sie einfach nur gemacht. Wie zum Beispiel den ganzen Tag ausser Haus im Büro zu verbringen. Da wird die Hundechefin (ich bin für Lily nur der Stellvertreter, sozusagen der Vice President) plötzlich sehr entspannt, wenn es drum geht, die hintere Tür zum Garten auf zu lassen. Einfach offen lassen! Bisher bekam ich dafür mindestens einen rügenden Blick, oder auch mal links und rechts eine, naja, das nicht gerade. Jedenfalls gibt's jetzt plötzlich keine Einbrecher mehr in Kalifornien.

So ist das halt. Wenn man lebt, relativiert sich vieles. Die vielen kleinen und auch die ganz grossen Widersprüche des Alltags werden zum ganz normalen Wahnsinn. Anschnallen im Auto, gefälligst! Sonst hört das Dingdong nicht auf, die Luftwaffe lässt sofort Kampfflieger aufsteigen und der coole Cop, geduldig an der Ecke auf seiner BMW R1200 wartend, zückt verzückt sein Quittungsbuch. Nur der Hund sitzt gurtfrei auf dem Rücksitz, hält die Nase aus dem halboffenen Fenster und alle sagen: guck mal, wie süss! Eine Vollbremsung später würde von Lily nicht viel heil bleiben, aber das passiert ja nur anderen, und so schaut man lieber nach vorne, beide Hände fest am Steuer. Was tut man nicht alles, um über die Runden zu kommen!

Zum besseren Verständnis: Gesetz ist Gesetz

Ob es immer Sinn macht - Entschuldigung, das ist nun wirklich nicht entscheidend. Sinn? Nur um mal ein bisschen vom Thema abzukommen: Hier gibt es für jeden Handgriff ein Gesetz, einen Disclaimer und einen Anwalt, der sofort das Messer wetzt, sollte mal was schief gehen. Bestelle ich im Restaurant ein Bier, hierzuland eh fast schon alkoholfrei, fragt man mich nach dem Ausweis. So will es das Gesetz. Aber nur fragen ist Gesetz. Ausweis anschauen nicht, vor allem bei einem alten Sack wie mir, und so hat die Bedienung sich schon längst davon gemacht, bevor ich meine ID umständlich hervorkrame. Ist ja auch bescheuert, aber Gesetze sind das hier oft, sehr oft. In Mississippi oder so darf man seinen Staubsauger nicht an Nachbarn verleihen. Sorry, das ist so, woher sollen wir wissen, warum, wenn es auch sonst keiner weiss?

Gesetz ist halt Gesetz. Marihuana wird hier zu medizinischen Zwecken auf Rezept abgegeben, obwohl es meist geraucht wird. Da wirst du schon mal einen Moment unsicher in einem Land, wo die Warnaufdrucke auf Zigarettenschachteln inzwischen grösser sind als die Packung selbst. Unverhohlen droht man dir mit dem Schlimmsten: "Wenn du das rauchst, kannst du dich gleich am Strand ins Wasser legen und warten, bis dich ein weiser Hai frisst!" oder "Rauchen bringt kleine Kinder um", "Raucher sind schlimmer als kleine Kinder" und sogar auf bayrisch: "Wer raucht, fliegt". Dennoch darf man im Healthcenter für dreifuffzig ein Gramm Cannabis abholen. Das entspannt total, und wohl deshalb gibt es ein Gesetz, das dies erlaubt. Liegt es an uns, dass man das Zeug rauchen muss? Nun sind wir aber wirklich vom Thema abgekommen. Tut mir leid!


 
Lily liegt überall - hier mal nicht auf dem Sofa.

 

 

 

 

 

 

 

 Dinner ohne Konservierungsstoffe

Uns ist jedenfalls der Hype um Medical Cannabis sowas von egal. Hier dreht sich alles um den Hund. Und der raucht nicht. Jetzt liegt er völlig fertig in der Ecke und unser Alltag geht hoffentlich munter weiter. Bald gibts Leckeres für Lily: proteinreiches Lammfleisch mit Omega-3-Säuren, Vitamin E, B2 und B12, Selen, Beeren als Anti-Oxidients, dazu getrockneter Chickoree und eine Spur Knoblauch – alles garantiert ohne Konservierungsstoffe in kleine, staubige, übelriechende Pillen gepresst. Schweineteuer und schneller weg als gekauft. Und danach wieder draussen rumschnüffeln, pinkeln, bellen, alle wild über den Haufen rennen. Oder stattdessen vielleicht doch eines Tages nur „freundlich mit dem Schwanz wedeln“. Was für ein Hundeleben! Wer's kennt, wird selig.