Das Feuerwerk-Verbot oder wie ich ein Grüner wurde

Zur Abwechslung mal etwas Nachdenkliches zum 1. August.
 Von Johannes Kornacher



Das ist ja fürchterlich! Diese Klimaerwärmung. Eine Katastophe! Wer ist schuld daran? Ich weiss es nicht. Aber ich werde etwas dagegen unternehmen. Sofort! Brandgefahr wegen Dürre, das ginge ja noch. Kein Wasser, okay. Aber der Hammer jetzt: kein Feuerwerk am 1. August! Verboten. Das ist der Supergau. Das Ende der Schweiz!

Ich bin seit gefühlten 100 Jahren auf der Welt, und jedes Jahr gab‘s zum 1. August ein Feuerwerk. Früher, naja, war das noch ein bisschen langweilig, da flog einfach eine Rakete hoch – puff – es knallte kurz und ein bunter Schweif zog über den Himmel. Oder der ultimative Knaller, Kanonenschlag, damit haben wir Kinder dem Nachbarn immer zum Hörsturz verholfen, der grüsste dann ein halbes Jahr nicht mehr.

Die Stalinorgel
Oder Stakkato, Stalin-Orgeln hiessen die, glaub ich. Habe ich als Kind irgendwie nicht verstanden. Die Russen, das sind doch Kommunisten, so ohne Kirche, warum dann Orgel? Hat mir auch niemand erklärt, und dann hab ich‘s wieder vergessen. Die haben uns einen Riesenspass gemacht. Blöderweise hat der Sohn vom Dorflehrer mal die Hand nicht mehr rechtzeitig weggezogen. Ich weiss jetzt nichts genaues mehr, aber er wurde jedenfalls kein Klavierlehrer, Zahnarzt und auch nicht Feinmechaniker.

Später, in den Siebzigern und Achzigern, konnte man im Fernsehen ab und zu eine Apollorakete in der Luft explodieren sehen, das war schon eindrücklich, Mann! Dieser Aufwand, und dann – peng. Naja, heute macht der Amerikaner so was eh' nicht mehr, sich friedlich ins All schiessen. Der Ami knallt jetzt auf Twitter und droht gleich mit Atomraketen und Kriegen. So ein Atompilz sieht schon toll aus, aber das geht mir dann doch etwas zu weit.

Mit den Jahren hat sich aber alles enorm verbessert. Die Pyrotechnik. Und mein Geschmack. Ich bin zu einem Ästethen geworden. In jeder Hinsicht, aber vor allem was meinen Pyrostil betrifft. Was man früher mit Lyrik gemacht hat, etwa um eine Frau unwiderruflich für sich zu begeistern, das geht heute mit Pyro. Mit dem Streichholz, sozusagen. Pyro, die neue Kunst. Die Feuersäule „Lila Lena“ etwa, die ist bei uns längst Standard. Und die Wunderkerzen, silbrig, ein aufsteigendes Spektakel, haben wir „Stairway to Heaven“ genannt, ein bisschen Philosophie muss ja sein, finde ich. Hat allein schon über 200 Franken gekostet, aber das war‘s mir wert.

Der Dackel wirbelt über den Boden
Für die Kindsköpfe und damit der Nachbar was zu kucken hat, zündete ich dazu regelmässig die UFO-Bodenwirbel. Blöderweise hat‘s da mal den Dackel von Nummer 17 sozusagen mit reingewickelt. Hat mich fast 100 Franken gekostet und dann noch der ganze Ärger. Aber Hunde sind eh‘ nicht für Feuerwerk zu begeistern. Tiere halt, die verstehen nichts von Eleganz.

Unser Labrador auch, der hat sich immer ins Bad verzogen, während draussen im Garten „Rings of Fire“ mit dem rot-grünen Sternenregen lief, meine Güte, so eine pure, ja Schönheit, anders kann man es nicht beschreiben. So ignorant kann nur ein Hund sein. Auch der Silberheuler mit Titaneffekt hat den kalt gelassen. 33.95 Franken kostet da einer: helle Titanfunken auf einer kräftigen Magnesiumbasis in Gelb mit Rauch, meine Güte, wie edel, so schön! So fünf bis acht Stück haben wir uns davon geleistet. Da kamen meine Frau und ich uns immer näher, welch romantischer Moment mit all der Beauty, klar und rein. Wir nahmen uns dann bei der Hand und liebten uns sehr.
 
Pyro aphrodisiert total
Manchmal legte sie sogar den Kopf auf meine Schulter und flüsterte: „Schatzi, mit dir hat alles irgendwie immer so Stil.“ Daneben stand der Nachbar mit der Bierflasche in der Hand und lies vor seiner Frau Judenfürze ab, schon der Name eine Geschmacklosigkeit. Er kniff sie grölend in den nicht unerheblichen Hintern, was sie kichernd mit „hör auf du geiler Sack“ beantwortete und ihn so lange am Ohr zog, bis er die Flasche fallen lies. Naja, alles eine Frage der Umgangsformen. Ich sag mal, der Libido ist es ja egal, wie sie sich entfaltet

Wenn dann allerdings „Cipolla TrikTrak“ los ging, war‘s mit der Liebe vorbei, das war schon der Hammer. Effektdauer sieben Sekunden, eine Mischung aus Knallfrosch und Knallkopf, kann man oft zum Sale-Preis von 7.98 Euro im Internet bestellen. Kostet ja quasi nix. Da haben wir gleich immer 45 Stück durchgelassen, immer wenn die Nachbarn dachten, jetzt ist endlich Schluss, kam noch einer, hihi, eine Gaudi! Da war schon was los, mein lieber Schieber.

Und damit soll jetzt Schluss sein? Die Erde, heisst es, habe Schübe, Fieberschübe. Und die sollen jetzt immer öfter kommen. Dann stammelt sie wirres Zeug. So haben wir bald 15 Monate im Jahr nur noch Sommer. Also vielleicht auch nächstes und übernächstes Jahr kein Feuerwerk? Da muss man jetzt doch endlich aufwachen! Wir können doch nicht einfach so weiter machen und tun, als ginge uns das nichts an.

Einer muss den Anfang machen
Ich fahre am Samstagmorgen jedenfalls immer mit dem Fahrrad zum Bäcker, Croissants holen. Nein, wirklich, kein Scheiss jetzt, bei jedem Wetter, da bin ich konsequent. Aber es regnet ja auch nie mehr. Wir müssen auch mal Opfer bringen. Nicht immer nur reden. Die Zeichen der Zeit erkennen. Wir können unseren Enkeln doch keine verbrannte Erde hinterlassen! Sonst kommt‘s noch soweit, dass sogar an Silvester wegen Trockenheit und Brandgefahr das Feuerwerk ausfällt. Also, zweimal im Jahr, ehrlich, das würde ich nicht durchstehen.



America First Depp!


Wer immer noch glaubt, die USA seien
ein modernes Land, kann sich schon mal
bei Exit anmelden. 



 


Von Johannes Kornacher

 Eine unserer Daseinsregeln besagt, man solle Verallgemeinerungen gefälligst vermeiden. Sie sind undifferenziert und werden der Wahrheit selten gerecht. Haben wir unseren Kindern früh eingebleut: Immer und alle und nie und ähnliche Dinge, alles pfui! Bäh! Macht man nicht! Verallgemeinern kommt von gemein und ist auch sonst ein hässliches Wort, und schon deshalb: Finger weg da!

Doch heute wollen wir mal tun, was man gefälligst nicht darf. Stellvertretend für alle nehme ich mir die Freiheit zu verallgemeinern, dass sich die Balken biegen. Damit erfülle ich eine soziale Funktion, indem ich alle Gemein- und Blödheiten des Verallgemeinerns auf mich nehme, während die verzückte Leserschaft sich nach jedem Satz erzürnen und distanzieren darf. Mit dem Finger auf mich zeigen, pfui rufen, bäh! Ich mache den Winkelried in Sachen Undifferenziertheit. Für Nicht-Schweizer: Ein Winkelried ist ein Depp, der immer der Erste sein will. Er führt beim Radfahren bis zum Umfallen die Gruppe an und ruft bei Wer hat noch nicht sofort hier , bevor er weiss, was genau er noch nicht hat. Oder er schreit: America first! Ein Depp halt.

Damit klar ist: Ich mag die USA. Tolles Land, for sure! Landschaften, meine Güte. Und diese Vielfalt, ein unermessliches Land. Aber auch irgendwie, äh, gaga. Jetzt reden wir von Land im Sinne von Nation, Gesellschaft, von den Menschen. Und auch da muss ich eigentlich sagen: mag ich. Ich mag die Amerikaner, aber nur einzeln. Also ein Amerikaner. Eine Amerikanerin. Tolle Leute. Auch zu zweit geht’s irgendwie noch. Aber schon bei dreien wird’s, sagen wir mal, etwas schweisstreibend, ab vier würgts und bei fünf: genau!


Statistik der Bekloppten
Das ist – statistisch stark vereinfacht, damit es alle verstehen - vergleichsweise so: In Deutschland meide ich Gruppen grösser als siebenkommasechsundsechzig Menschen, weil einer von denen AFD wählt. In der Schweiz stelle ich mich an keiner Schlange an, in der mehr als dreikommasiebenundneunzig Schweizer stehen, weil einer von denen die SVP will. In England gehe ich heim, wenn ich mehr als einskommazweiundneunzig Engländer sehe: Einer von ihnen muss unbedingt austreten. Oesterreich: wie England, nur schlimmer. Italien: hier stehe ich lieber alleine rum, weil da bereits ab einskommadreiundvierzig einer rechts wählt. Ja, sorry jetzt, aber so ist es eben: Statistik ist gnadenlos ehrlich.

Auf die Amerikaner, vulgo: Trumps, bezogen: Hier muss man ab knapp drei Menschen damit rechnen, dass einer so ist, wie man Menschen nicht mag - ungebildet, naiv, weltfremd, chauvinistisch, heuchlerisch, pathetisch, hysterisch, grosspurig, paranoid, laut, egoistisch und auch sonst ein bisschen komisch. Menschen (das wird jetzt denen hier gefallen, die gerne schlecht angezogen sind), die immer schlecht angezogen sind. Und ihre Wohnungen und auch sonst alles sehr scheusslich einrichten. Und solchen, die sagen: We are the greatest nation of the world, und das sogar glauben. Und dann mag etwa jeder Dreikommaneunundachzigste auch noch diesen Kerl da. Zusammengefasst: Menschen, die ich beim besten Willen nicht ernst nehmen kann.

Spätestens hier zieht mir der Therapeut die Ohren lang: Das darfst du doch nicht, jemand nicht ernst nehmen, pfui! Man muss alle ernst nehmen, auch Therapeuten! Du musst tolerant sein. Bin ich ja. Ich toleriere meinen Drang zur Verallgemeinerung und meine strikte Weigerung, eine bestimmte Spezies Mensch ernst zu nehmen.


Make America blöd again
Etwa Amerikaner, die an das Recht des Stärkeren glauben, an Waffen, Geld, Macht, Rassismus und nochmal Geld. An das Recht auf Ungleichheit. Die in gesellschaftlichen und politischen Strukturen leben, die direkt aus der Sklaverei kommen. Glauben Sie nicht? Ich auch nicht. Stimmt aber. Sonst, zum Beispiel, wäre dieser korrupte Doofkopf nicht durch ein Wahlsystem aus dem 19. Jahrhundert gewählt worden.

Auch das Zwei-Parteien-System der Trumps stammt aus der Zeit der Gründer. Lange her, gilt aber noch. Wie die Todesstrafe in 31 von 52 Staaten. Bei der weltweit höchsten Belegungsquote von Gefängnissen, und der höchsten Kriminalitätsrate der westlichen Welt. Die Trumps nehmen nicht nur hin, von einem arroganten Lügner und seiner Clique regiert zu werden. Sie tolerieren auch, dass ihre Frauen verachtet und die Kinder in den Schulen von Wirrköpfen erschossen werden. Man nimmt hin, dass Wahlen manipuliert und Kriege herbei gelogen werden, oder dass Superreiche auf Kosten der Nation ihre Taschen immer praller füllen. 12,7 Prozent leben unter der Armutsgrenze, rund 41 Millionen. Das ist halb Deutschland. Genauer betrachtet sind rund 100 Millionen Amerikaner arm, also jeder Dreikommavierundsiebzigste. Eine Nation, die sich nicht um ihre eigenen Leute kümmert, sondern lieber am Hindukusch, in Vietnam oder im Irak Billionen verballert.


Getting rich!
Fragen Sie einen jungen Amerikaner, was er mal werden will. Der sagte schon vor hundert Jahren nur ein Wort: reich! Und das will er auch heute noch. Denn was am Ende zählt ist - money! Wenn der nur das Wort Million hört, nässt er sich vor Erfurcht ein. Der Rest des Lebens ist Deko. Man zwängt der Welt seinen Willen auf. Obwohl der so voller Widersprüche ist, dass es weh tut. Die Dinge durch denken? Reicht doch, sie anzudenken. Dann macht man mal, und kann ja noch korrigieren, wenn‘s aus dem Ruder läuft. Woanders würde man das naiv oder unverantwortlich nennen, hier steht es für Innovation und Pioniergeist. Oder, wie im Fall des Grossmauls mit dem totgefahrenen Eichhörnchen auf dem Kopf, für tough dealmaker.

Bei Trumps fahren die Autos alleine. Will so ein Auto irgendwo hin, fährt es einfach los. Passagiere? Brauch ich nicht! Statt so eines bescheuerten Audi, der geduldig vor dem Haus wartet, bis jemand einsteigt und nach B will. Braucht‘s in Amerika nicht! Das Auto fährt, wann es Lust hat. Blöd halt, wenn die Software einen Radler versehentlich für eine vorbeifliegende Plastiktüte hält und ihn platt fährt. Dumm gelaufen, aber schliesslich erfinden wir gerade die Welt neu.


Die Retro-Revolution
Dieses dumme Klischee vom coolen Ami, der seiner Zeit immer voraus ist! Welcher Zeit? Da erzähle ich gerne aus meinem lustigen Leben im Silicon Valley. Wo, wie überall bei Trumps, ganz normale Dinge oft nicht funktionieren. Wo Strassen gespickt sind mit Schlaglöchern und mancherorts noch Stromkabel in den Strassen herumhängen. Wo jeder dritte nur Chips in den Augenhöhlen hat, oder Dollarzeichen, oder beides. Unsozialisierte Nerds hocken in Coffee (naja) Shops rum und schreiben Software für eine App, die kein Mensch braucht. Nerds, die, wenn man sie nicht fragt, sagen: Wir machen hier gerade eine neue, bessere Welt. Und dann gehen sie raus und fahren mit ihren Teslas (Achtung, Verallgemeinerung! Es haben nicht alle Teslas. Denn Tesla kann die bestellten Autos gar nicht liefern. Das müsste man mal VW fragen: Könnt ihr eure kriminellen Autos überhaupt liefern?), also, sie fahren zum Beispiel ins neue Apple-Campus in Cupertino. Vorbei am Muffett Field, wo früher, mit Unterstützung kluger Köpfe der Stanford University (die wiederum von klugen Köpfen aus der Rüstungsindustrie mit Millionen unterstützt wurde), die NASA Raketen baute. Nicht weit davon entwickelten HP Computer fürs Militär und General Electric etwa die Pershing-Raketen und den Tomahawk-Marschflugkörper. Das Valley war eins der wichtigsten Militärzentren der USA. Ansonsten war es eine grosse Obstplantage und die fünf Buben in San Jose, die später als Doobie Brothers berühmt wurden, hatten noch keinen Schimmer davon, wie man sauber einen Joint rollte.

Heute ist die NASA so gut wie weg. Muffet Field, das inzwischen vergammelte Militärgelände, gehört immer noch der Regierung, wurde aber von Google auf Jahrzehnte gepachtet. Jetzt werden da nicht nur selbstfahrende Autos und andere Zukunftsvisionen entwickelt. Auch Musk bastelt an seinen Raumschiffen und die Grosskopferten der IT-Giganten wie Google, Apple, Ebay, Facebook, Oracle und wie sie alle heissen, parken dort ihre Privatjets und Helis, oder was man sonst noch so braucht.

Die allermeisten IT-Leute wissen gar nicht, dass sie ihre berufliche Daseinsberechtigung dem Militärkomplex der USA verdanken. Und wenn schon! Man cruist auf dem Lawrence Express Way und findet es normal, alle eineinhalb Meilen bei Rot anhalten zu müssen. Weil hier zwar eine bessere Welt entsteht, aber ohne grüne Welle. Das ist technisch kompliziert. Oder kleinlich gedacht. Man ist hier schon weiter und entwickelt Autos, die ohne Menschen rumfahren und sich auch sonst um nichts scheren. Grüne Welle – ist das drüben
am Pazifik zum Surfen? Was, in Europa? Das ist doch Old World! Was wissen die schon.


Mein Scheiss-Auto stellt keine Schecks aus
Naja, zum Beispiel wissen sie, wie Online Banking geht und eine elektronische Überweisung. Das ist bei Trumps anders. Hier zahlt man noch mit Scheck. Alles. Ich wollte für die Miete meines Hauses einen Dauerauftrag einrichten. Die Immobilienfirma sagte: „Wir nehmen nur Schecks.“ Das ist im Alltag, naja, etwas hinderlich. Denn kein zukunftsbesorgter Nerd kommt auf die Idee, ein Programm zu entwickeln, das selbständig jeden Ersten des Monats einen Scheck aussstellt und ihn zur Post bringt (die dann vier Tage braucht). Oder eine App, die dem Auto sagt, es soll sofort den Scheck beim Vermieter abliefern. Oder ein Auto, das den Scheck auch gleich selbst ausstellt. Ja gut, man kann schliesslich nicht an alles denken.

Ich sag’s jetzt mal ein bisschen hart: Amerika hat den Weg von der Barberei in die Dekadenz geschafft, ohne den Umweg über eine Kultur zu nehmen. Das stammt nicht von mir, stimmt aber trotzdem. Sogar die Russen haben‘s noch mit dem Kommunismus versucht. In den USA kann der jetzige Präsident kam einen ganzen Satz schreiben, glotzt den ganzen Tag TV, greift Frauen sonstwohin, unterkritzelt Dekrete, die er nicht versteht und twittert nur Wortbrei, ohne Satzzeichen und so Zeug. Wie, Fremdsprache? Gibt’s das überhaupt, fremde Sprachen? Dabei ist nicht mal English von Ihnen, das haben sie noch den Engländern abgeluchst.

Es gäbe noch viel zu erzählen, wie kaputt die Trumps sind. Aber wer hat schon so viel Zeit? Nur noch kurz dies: Da ist eine tiefe Gewaltbereitschaft, die sich quer durch die Bevölkerung und durch alle gesellschaftlichen Ebenen zieht. Nach seiner Amtseinführung 2017 sagt eine 86-jährige Dame zu mir, diesen neuen Präsidenten finde sie fürchterlich. „Hoffentlich schiesst den bald einer über den Haufen.“ Das habe ich auch von anderen, jüngeren Amerikanern gehört. Man löst Probleme mit der Pistole. Das macht ratlos, auch heute, im Frühsommer 2018, kurz vor dem 50. Jahrestag der Ermordung von Robert Kennedy. Der Mord ist wie der seines Bruders John bis heute nicht aufgeklärt. Die offizielle Version liest sich widersprüchlich, zurechtgebogen, gelogen. Wie eigentlich immer nehmen die Amerikaner es nicht nur hin, belogen zu werden. Gutgläubig wie sie sind, verlangen sie geradezu nach der Lüge. „Tell me lies, tell me sweet little lies…“ Dieses Land lebt von der Lüge, derzeit noch ein bisschen mehr.


Sonst noch was kaputt?
Dann sind noch die systematische Armut und Obdachlosigkeit, das absurde Rechtssystem und das Bildungsunwesen. Oder die tiefe moralische und politische Spaltung des Landes, in dem die Lebensgrundlagen, sozialen Strukturen und die Familien zerbrechen. Staaten wie Illinois, Kansas, Kalifornien oder Oklahoma sind chronisch pleite (in letzterem gehen die Kinder aus Kostengründen nur vier Tage zur Schule, Jipeeh!). In Metros wie San Francisco können sich immer weniger Krankenschwestern, Lehrer oder Busfahrer eine Wohnung leisten: Zwei Zimmer kosten über 3000 Dollar und die Krankenversicherung für eine vierköpfige Familie fast genauso viel. Doch trotz der täglichen Tragödien ist der Optimismus erstaunlich ungebrochen. Allerdings hat er oft religiöse Züge und wirkt zwanghaft. Man hat das Gefühl, die Menschen können einfach nicht anders. Und wer nicht daran glaubt, das alles great wird, ist ein Verräter, ein Looser.


Da flieg ich doch drüber
Die USA bestehen eigentlich nur noch aus den Metropolen und den Küsten. Die Landstriche dazwischen, grösser als Europa, nennen sie zynisch „Fly-over-States“, da landet man höchstens, wenn das Flugzeug abstürzt. Sozial, kulturell, wirtschaftlich, politisch – die USA würden in der Karibik nicht mal als Bananenrepublik durchgehen. Kein Wunder, spricht inzwischen überall im Land blanker Hass aus vielen Menschen.

Dann ist da noch die Unverhältnismässigkeit! Der reichste Amerikaner hat 143 Milliarden, jedes Jahr kommen rund sieben Milliarden dazu. Das ist mehr, als mein Nachbar und ich in fünfzehn Jahren verdienen – zusammen! Da steht die Queen vergleichsweise kurz vor HarzIV! Ein Jugendlicher, der durch Zündeln einen Waldbrand auslöste, wird im Mai 2018 zur Zahlung von 150 Millionen Dollar verurteilt. Wer einen Verkehrsunfall verursacht, wird in Handschellen abgeführt. Böse Menschen erhalten 185 Jahren Zuchthaus. Wer schwarz ist und davon rennt, kann damit rechnen, von hinten erschossen zu werden. Viele Trumps finanzieren ihren Lebensstil mit vier, fünf Kreditkarten. Über 100 Millionen zahlen monatlich aber nur die Mindestsumme der Schuld zurück. Der Rest wird mit bis zu 23 Prozent verzinst. Schulden, die für ein paar Leben reichen. Fast harmlos dagegen, dass man mancherorts Kellnerinnen zwingt, Leute wie mich nach dem Ausweis zu fragen, wenn ich ein Bier will. Dass ich etwas mehr als 21 bin und Grossvater der 18-Jährigen sein könnte, sieht sie zwar, fragt aber trotzdem. Sonst würde sie ihren lausig bezahlten Job verlieren. Gut, ich war ein bisschen geschmeichelt, aber nachhaltig war das nicht.

Unglaubliches aus dem Land der unkoordinierten Möglichkeiten. Land der unbegrenzten Widersprüche. Land grenzenlosen Grössenwahns und Schwachsinns. Voller Leute, die keinen blassen Schimmer haben. Glauben Sie mir nicht? Stimmt aber. Obwohl ich wirklich, das hatten wir ja schon, tolerant bin. Doch wenn mir einer erklärt, wie man Espresso macht, und dabei so tut, als hätte er Espresso auch erfunden, aber nicht weiss, wo Italien liegt, Arabica für einen Moslemstaat hält und Crema für den Inhalt einer Urne - dann wird’s selbst mir mal zu bunt! Kann mir jemand sagen, wie ich den ernst nehmen kann? Und warum?


Haftpflicht für zwei Stossstangen
Dieser Typ! Brettert nach der Schicht mit seinem klapprigen Toyota, der noch nie einen TÜV gesehen hat, über die Highway und schreibt dabei eine WhatsDepp. Fragt man ihn, wie hoch seine Karre Haftpflicht-versichert ist, muss er erst nachschauen, dreissigtausend. Wenn er überhaupt eine Versicherung hat. Dreissigtausend für Auto-Haftpflicht ist bei Trumps Standard. Als ich das hörte, lief ich rot an und verlangte eine angemessene Versicherung. No problem, wollen Sie Hunderttausend? Ein ordentlicher Unfall würde noch fünf Generationen deiner Nachkommen ruinieren. Aber das kümmert keinen. Vom absurden Gesundheitssystem, der verrotteten Infrastruktur und der unbekümmerten Verschuldung eines Staats, in dem der Begriff Altersvorsorge für die meisten noch als Luxus gilt – davon reden wir jetzt nicht mehr. Sie haben ja sicher noch was vor.

Dann also schnell noch den Witz des Tages, der läuft schon seit Jahrzehnten gut: Der Ami fährt am Sonntag gerne ans Meer. Und abends wieder heim – wenn die Brücke noch steht. Really funny, haha! Ein elegantes, unbeschwertes, fortschrittliches Land, diese Trumps. Schade eigentlich, dass es bald vorbei ist. Okay: Bis hierher war jetzt vielleicht alles etwas verallgemeinernd und ein bisschen, hm, voreingenommen oder gar übertrieben. Who cares! Es hat sooo gut getan, es mal los zu werden. Da können Sie noch lange pfui rufen, oder bäh . I mean it!