Das Feuerwerk-Verbot oder wie ich ein Grüner wurde

Zur Abwechslung mal etwas Nachdenkliches zum 1. August.
 Von Johannes Kornacher



Das ist ja fürchterlich! Diese Klimaerwärmung. Eine Katastophe! Wer ist schuld daran? Ich weiss es nicht. Aber ich werde etwas dagegen unternehmen. Sofort! Brandgefahr wegen Dürre, das ginge ja noch. Kein Wasser, okay. Aber der Hammer jetzt: kein Feuerwerk am 1. August! Verboten. Das ist der Supergau. Das Ende der Schweiz!

Ich bin seit gefühlten 100 Jahren auf der Welt, und jedes Jahr gab‘s zum 1. August ein Feuerwerk. Früher, naja, war das noch ein bisschen langweilig, da flog einfach eine Rakete hoch – puff – es knallte kurz und ein bunter Schweif zog über den Himmel. Oder der ultimative Knaller, Kanonenschlag, damit haben wir Kinder dem Nachbarn immer zum Hörsturz verholfen, der grüsste dann ein halbes Jahr nicht mehr.

Die Stalinorgel
Oder Stakkato, Stalin-Orgeln hiessen die, glaub ich. Habe ich als Kind irgendwie nicht verstanden. Die Russen, das sind doch Kommunisten, so ohne Kirche, warum dann Orgel? Hat mir auch niemand erklärt, und dann hab ich‘s wieder vergessen. Die haben uns einen Riesenspass gemacht. Blöderweise hat der Sohn vom Dorflehrer mal die Hand nicht mehr rechtzeitig weggezogen. Ich weiss jetzt nichts genaues mehr, aber er wurde jedenfalls kein Klavierlehrer, Zahnarzt und auch nicht Feinmechaniker.

Später, in den Siebzigern und Achzigern, konnte man im Fernsehen ab und zu eine Apollorakete in der Luft explodieren sehen, das war schon eindrücklich, Mann! Dieser Aufwand, und dann – peng. Naja, heute macht der Amerikaner so was eh' nicht mehr, sich friedlich ins All schiessen. Der Ami knallt jetzt auf Twitter und droht gleich mit Atomraketen und Kriegen. So ein Atompilz sieht schon toll aus, aber das geht mir dann doch etwas zu weit.

Mit den Jahren hat sich aber alles enorm verbessert. Die Pyrotechnik. Und mein Geschmack. Ich bin zu einem Ästethen geworden. In jeder Hinsicht, aber vor allem was meinen Pyrostil betrifft. Was man früher mit Lyrik gemacht hat, etwa um eine Frau unwiderruflich für sich zu begeistern, das geht heute mit Pyro. Mit dem Streichholz, sozusagen. Pyro, die neue Kunst. Die Feuersäule „Lila Lena“ etwa, die ist bei uns längst Standard. Und die Wunderkerzen, silbrig, ein aufsteigendes Spektakel, haben wir „Stairway to Heaven“ genannt, ein bisschen Philosophie muss ja sein, finde ich. Hat allein schon über 200 Franken gekostet, aber das war‘s mir wert.

Der Dackel wirbelt über den Boden
Für die Kindsköpfe und damit der Nachbar was zu kucken hat, zündete ich dazu regelmässig die UFO-Bodenwirbel. Blöderweise hat‘s da mal den Dackel von Nummer 17 sozusagen mit reingewickelt. Hat mich fast 100 Franken gekostet und dann noch der ganze Ärger. Aber Hunde sind eh‘ nicht für Feuerwerk zu begeistern. Tiere halt, die verstehen nichts von Eleganz.

Unser Labrador auch, der hat sich immer ins Bad verzogen, während draussen im Garten „Rings of Fire“ mit dem rot-grünen Sternenregen lief, meine Güte, so eine pure, ja Schönheit, anders kann man es nicht beschreiben. So ignorant kann nur ein Hund sein. Auch der Silberheuler mit Titaneffekt hat den kalt gelassen. 33.95 Franken kostet da einer: helle Titanfunken auf einer kräftigen Magnesiumbasis in Gelb mit Rauch, meine Güte, wie edel, so schön! So fünf bis acht Stück haben wir uns davon geleistet. Da kamen meine Frau und ich uns immer näher, welch romantischer Moment mit all der Beauty, klar und rein. Wir nahmen uns dann bei der Hand und liebten uns sehr.
 
Pyro aphrodisiert total
Manchmal legte sie sogar den Kopf auf meine Schulter und flüsterte: „Schatzi, mit dir hat alles irgendwie immer so Stil.“ Daneben stand der Nachbar mit der Bierflasche in der Hand und lies vor seiner Frau Judenfürze ab, schon der Name eine Geschmacklosigkeit. Er kniff sie grölend in den nicht unerheblichen Hintern, was sie kichernd mit „hör auf du geiler Sack“ beantwortete und ihn so lange am Ohr zog, bis er die Flasche fallen lies. Naja, alles eine Frage der Umgangsformen. Ich sag mal, der Libido ist es ja egal, wie sie sich entfaltet

Wenn dann allerdings „Cipolla TrikTrak“ los ging, war‘s mit der Liebe vorbei, das war schon der Hammer. Effektdauer sieben Sekunden, eine Mischung aus Knallfrosch und Knallkopf, kann man oft zum Sale-Preis von 7.98 Euro im Internet bestellen. Kostet ja quasi nix. Da haben wir gleich immer 45 Stück durchgelassen, immer wenn die Nachbarn dachten, jetzt ist endlich Schluss, kam noch einer, hihi, eine Gaudi! Da war schon was los, mein lieber Schieber.

Und damit soll jetzt Schluss sein? Die Erde, heisst es, habe Schübe, Fieberschübe. Und die sollen jetzt immer öfter kommen. Dann stammelt sie wirres Zeug. So haben wir bald 15 Monate im Jahr nur noch Sommer. Also vielleicht auch nächstes und übernächstes Jahr kein Feuerwerk? Da muss man jetzt doch endlich aufwachen! Wir können doch nicht einfach so weiter machen und tun, als ginge uns das nichts an.

Einer muss den Anfang machen
Ich fahre am Samstagmorgen jedenfalls immer mit dem Fahrrad zum Bäcker, Croissants holen. Nein, wirklich, kein Scheiss jetzt, bei jedem Wetter, da bin ich konsequent. Aber es regnet ja auch nie mehr. Wir müssen auch mal Opfer bringen. Nicht immer nur reden. Die Zeichen der Zeit erkennen. Wir können unseren Enkeln doch keine verbrannte Erde hinterlassen! Sonst kommt‘s noch soweit, dass sogar an Silvester wegen Trockenheit und Brandgefahr das Feuerwerk ausfällt. Also, zweimal im Jahr, ehrlich, das würde ich nicht durchstehen.