Wie gut sind die Medienstellen der Krankenkassen?



Aus dem Fachmagazin „Schweizer Journalist“ 2005

Sie arbeiten zusammen, manchmal aber auch aneinander vorbei: Journalisten und die Medienstellen von Unternehmen, Verwaltung, NPO oder Regierungsstellen. Weil wir Journalisten auf sie angewiesen sind, interessiert uns, wie genau dort gearbeitet wird. Für ein Fachmagazin machten wir die Probe aufs Exempel, mit interessanten Resultaten.

Same procedure as last year: Im Herbst beginnen die Krankenkassen wieder ihr Gerangel um Kunden. Die längst traditionelle Erhöhung der Prämien im neuen Kalenderjahr gibt den Konsumenten in der Grundversicherung die Chance, zu einer günstigeren Versicherung zu wechseln. Grund genug für die Medien, sich mit diesem Thema zu beschäftigen und ihr Publikum über Sachverhalt und Hintergründe zu informieren. Denn die Unterschiede sind je nach Krankenkasse und Prämienregion beträchtlich. Die Versicherer werden aber in den nächsten Monaten auch durch Themen wie die Pflegefinanzierung oder den Vertragszwang mit den niedergelassenen Ärzten im Blickpunkt der Medien sein. Der Kostendruck im Gesundheitswesen ist sowieso ein Dauerbrenner in der öffentlichen Diskussion – mit den Krankenkassen in der zentrale Rolle.
  
Wer kann’s am besten?
Grund genug, dass sich der „Schweizer Journalist“ einmal mit den Medienstellen der Kassen beschäftigt. Welche operiert aus der Sicht des recherchierenden Journalisten am besten? Ohne den Auftraggeber zu nennen, stellten wir vier Fragen, zu den zu erwartenden Pramienerhöhungen, zum Kostenanstieg („Was tun sie dagegen?“), eine zur Einheitskrankenkasse („diskutabler Weg?“) und eine zu den „guten“ Risiken, den jungen Versicherten („ein Verlustgeschäft?“)

Die Testkriterien: Erstens wurden der Zugang zur Medienstelle und das Recherchierangebot auf der Firmen-Website bewertet. Die zweite Note betrifft die Reaktionszeit auf die Anfrage zustande. Als drittes wurden die inhaltliche und formale Qualität der Auskunft benotet. 
Die Website zeigt den Weg
Ins Visier nahmen wir die sechs grössten Versicherer Helsana, CSS, Groupe Mutuel, Swica, Concordia und Visana. Zunächst suchte der Journalist - inkognito - auf der Website der Kasse die Medienstelle. Mal dauert dies – wie bei Swica und Visana – gerade mal zwei Klicks. Bei anderen geht es viel länger, und bei zweien – Helsana und Condordia – ist die Suche erfolglos. So entstand ein spannendes Recherchieren mit Komplikationen, Überraschungen und persönlichem Kontakt. Aber der Reihe nach.

Der Journalist beginnt am Donnerstagabend mit der Recherche. Erstes Ziel ist die grösste Krankenkasse, die Helsana Gruppe. Ein Mediencorner oder ähnliches gibt es auf www.helsana.ch nicht. Dafür einige aktuelle News und neuwertige Medienmitteilungen. Zur Vorrecherche kommt man bei Helsana einen Schritt weiter. Doch eine Medienstelle sucht man vergeblich: „Kontakt“  anklicken – Fehlanzeige. Wir versuchen es nebenan bei Vera Clever, virtuelle Mitarbeiterin der Helsana. Sie verspricht, uns durch die Site zu führen, aber schon bei der Sucheingabe „Medienstelle“  zeigt sich Frau Clever als Dummchen: „Es wurden 0 Dokumente gefunden“. Also füllen wir ein E-Mail-Formular „Fragen über Helsana und gesunde Ideen“ aus. Wir senden die Fragen und nennen bewusst keinen Termin. Mal sehen, was da kommt. Note 3.

Flink ist gut
Eine automatische Eingangsbestätigung verspricht Antwort in zwei Arbeitstagen. Doch bereits einen Tag früher trifft ein Mail von Mediensprecher Thomas Lüthi ein. Er sagt schnelle Antwort und einen Rückruf in dieser Woche zu und hängt die neuste Medienmittelung zu den Prämienerhöhungen an. Reaktion: Note 5.5. Seine Antworten per Telefon sind ausführlich und fundiert, womit Helsana mit einer weiteren 5 Boden gut macht .

Fast gleich schnell wie Lüthi ist Visana-Sprecherin Grazia Siliberti. Sie habe den Journalisten telefonisch nicht erreicht, mailt sie, stellt die schriftliche Antwort bis Ende Woche in Aussicht und will noch wissen: „Für wen arbeiten Sie?“ Visana erhält ein 5.5 für „ Zugang und Recherche per Website“. Klar die Site, direkt der Kontakt. Ein Bild von der Mediensprecherin würde den professionellen Eindruck abrunden. Die Rechercheangebote waren gut. Das war eine speditive Angelegenheit, Note 5,5 für Reaktion. Auch in Punkto Auskunftsqualität erhält Visana eine 5.5.

So haben wir es gerne
Noch einen Tick besser schneidet Kollege Phillip Lutz von der Swica ab. Mit zwei Klicks auf www.swica.ch , und er steht da: mit Bild, Name, Funktion und Koordinaten, sogar ein Lageplan des Swica-Hauptsitzes fehlt nicht. Die Fragen sind nach zwei Minuten in Lutz’ Mailbox. Volltreffer! Die Rechercheangebote bei Swica sind nicht üppig, etwas viel interna, die Navigation im Mediaroom könnte man noch optimieren. Dennoch erstmal Note 6. Auch in Punkto Reaktion war Lutz Klassenbester: Als einziger mailte er noch am Montagvormittag seine Antworten. Und als einziger antwortete er präzise auf die Zusatzfrage „wann sind Sie telefonisch am Besten erreichbar?“. Wieder Note 6. Die Qualität seiner – knappen - Auskunft wird mit 5 benotet. Lutz machte zur Prämienerhöhung keine verwertbaren Angaben, was vielleicht nicht an ihm, sondern der Politik der Swica liegt.

Etwas lahm in der Reaktion
Pech im Test hat Martina Bischof, Mediensprecherin der CSS. Erst müssen wir auf www.css.ch etwas lang  nach dem Kommunikationsressort suchen. Die Recherchehilfe auf der Website ist auch nicht gross, bzw. die Suche nach Information zu umständlich: Note 4.5. Dann hat man Frau Bischof das Mail mit unseren Fragen offenbar nicht weitergeleitet. Nachdem der Journalist telefonisch nachhakt und das Mail nochmals sendet, geht’s vorwärts: Nach 5 Minuten ruft sie bereits zurück, entschuldigt sich und verspricht Antwort – bis Montag. Das sei zu spät, so der Journalist. Man einigt sich auf Teilauskünfte, möglichst schnell. Am Freitag kommen dann doch alle Antworten in guter Qualität: Note 5.5. Reaktionsnote für CSS: leider nur eine 3.

Dieses Resultat hat nur noch die Groupe Mutuel unterboten. Auf der etwas überfrachteten Website ist nach längerer Suche wenigstens ein Medienformular zu finden. Die Antwort bleibt aber aus. Erfolgreicher ist die online-Vorrecherche mit zehn Meldungen aus neuerer Zeit. Leider haben wir es verpasst, die Meldungen ganz nach unten zu scrollen: Als Fusnnote wäre Mediensprecher Yves Seydoux mit Koordinaten aufgeführt. Das ist sub-optimal. So führen auch verschiedene Anrufe zwar weiter, aber zunächst nicht zum Ziel. Erst nach einer Woche trifft die Mailantwort von Seydoux ein. Leider fehlt die Antwort auf die vierte Frage. So kommt zur Note 4.75 (Kriterium 1) eine 2 für die Reaktionszeit und eine 4 für die Qualität der Auskunft.

Lange suchen nervt
Ähnlich mittelmässig schneidet die Concordia ab. Eine fast zu schlank gehaltene Website bietet weder ausreichende Recherchehilfe, noch gibt es wenigstens Umwege zum Kommunikationsressort. Nach langem Herumklicken („das gibt’s doch nicht!?“) schicken wir unsere Fragen an info@concordia.ch (Zugangsnote 2), und wundern uns auch nicht, dass bis Mittwoch keine Antwort kommt. Telefonisch erfahren wir die richtige Mailadresse, und bereits drei Stunden später kommt ein Mail von Mediensprecher Mark Glutz (Note Reaktionszeit: 3) mit ausreichenden Antworten, aber ohne Hinweis auf günstige Rückrufzeiten (Note 5). Entsprechend erfolglos ist es dann, Glutz zwei Tage später telefonisch zu erreichen, um ihm das Resultat des Test mitzuteilen. Wir tun es gleichentags per mail, in der Hoffnung, ihn doch noch vor Redaktionsschluss persönlich zu sprechen.
Die Zeugnisvergabe
Das tun wir mit allen Sprechern des Tests. „Not amused“ ist Groupe Mutuel-Sprecher Yves Seydoux. “Ist denn so etwas üblich?”, knurrt er ins Telefon. Er gibt zu, dass die Anfrage zu lange warten musste „ich war oft in Meetings“. Die Kritik an der Website weist er aber von sich. Die sei vor allem für die Kunden gemacht. Er arbeite eben lieber mit dem Telefon, und alle Journalisten, die ihn kennen, ruften ihn an, wenn sie was brauchen. Nun ja, jetzt wissen es ja wenigstens die meisten…
Gefasst nahm Helsanasprecher Thomas Lüthi das Zeugnis entgegen. Die Schwäche der Website sei ihm bewusst, der „Schweizer Journalist“ renne da offen Türen ein. „Wir werden das demnächst verbessern“, verspricht er und freut sich, dass seine persönliche Arbeit gut bewertet wird. Auch Swica-Lutz zeigt sich erfreut über sein Resultat, bleibt aber bescheiden: „Es könnte auch mal anders raus kommen“.

Professionell pariert
Gute Miene zum bösen Test macht Martina Bischof von CSS, nimmt die schlechte Reaktionsnote sportlich. Immerhin hat sie persönlich die Kastanien aus dem Feuer geholt. Die Zugangsschwäche via Internet sei bekannt, man habe früher auf ein direktes Medienportal haufenweise Spam-artige Anfragen erhalten. „Schon lustig, dass Ihre Kritik jetzt zu einem Zeitpunkt kommt, an dem wir an einer optimierten Lösung arbeiten“, sagt sie. Auch Kollegion Grazia Siliberti von Visana pariert souverän. Sie frage lieber einmal mehr nach, um zu wissen, was der Anfrager genau wolle, betont sie. Deshalb die etwas verzögerte Antwort. Und im übrigen, so Siliberti, habe sie von Anfang das Gefühl gehabt, an dieser Anfrage sei etwas, naja, Spezielles. „Aber wir wollen alle Journalisten-Anfragen gleich gut beantworten.“ Kompliment, Frau Siliberti.


http://www.schweizer-journalist.ch/