aus dem Magazin der Kindernothilfe Schweiz 2010
Nach der Erdbebenkatastrophe von Haiti: Interview mit der Zürcher Kinder- und Jugendpsychologin
Hannah Wintsch über Traumaerlebnisse von Kindern.
jok. Frau Wintsch, als Traumatherapeutin haben
Sie in Kosovo und Palästina mit kriegstraumatisierten Kindern gearbeitet. Am
Kinderspital St. Gallen leiten Sie die Psychoonkologie und die
Traumasprechstunde. Was ist ein Trauma?
Die Psychologie
versteht darunter ein Ereignis, das Menschen psychisch verletzt, weil es die seelischen Belastungsgrenzen übersteigt
und nicht adäquat verarbeitet werden kann.
Was sind typische Traumakennzeichen bei
Kindern?
Am häufigsten sind Übererregung,
Gereiztheit, Aggression, Nervosität oder umgekehrt, Apathie. Dazu je nach Alter
Schlaf- und Essstörungen und Ängste. Manche Kinder haben das Gefühl »Ich
spinne.» Viele sind sehr einsam und fühlen sich von den Erwachsenen im Stich
gelassen.
Was kann ein Trauma in einem Kind
anrichten?
Kinder sind bei
Katastrophen immer die Verwundbarsten. Ihre komplette Entwicklung kann blockiert,
Motorik und Konzentration beeinträchtigt werden, bis hin zu Suizidgedanken. Kein
Trauma ist wie das andere. Je nach Kind und auch ob der Auslöser eine
Naturkatastrophe, ein Krieg, Unfall oder ein Übergriff war.
Kann man ein Trauma heilen?
Manche schon, nicht
jedes. Eine Therapie ist immer nur eine Ergänzung. Wichtig ist, dass die Kinder
ihr Unglück «ausatmen» können und ihre Selbstheilungskräfte und das Vertrauen
in die Welt wieder aufgebaut werden.