Wie man schneller Rennrad faehrt


Erstpublikation am 18.09.2011:  http://suite101.de/article/einfach-schneller-rennrad-fahren-a123334

Schneller radfahren? Die drei „T“ machen Rennradler schneller: Training, Technik, Taktik. Effizientes Rennradtraining für ambitionierte Sportler.


jok. Fahren in der Gruppe macht Spass. Aber nicht allen. Den Cracks immer hinterherfahren zu müssen, finden viele nicht lustig. Wer hat schon Lust, dauernd der letzte zu sein? Schneller fahren ist keine Hexerei, braucht aber ein bisschen Systematik, Knowhow und Durchhaltevermögen. Man wird nicht in zwei Wochen schneller, eher in zwei Monaten. Das Geheimnis liegt in der Verbesserung der drei „T“, von Training, Technik und Taktik. Aber der Reihe nach.

Systematisches Radtraining
Voraussetzung für systematisches Training sind Parameter. Um die Leistung zu kontrollieren, muss ein Radsportler seine Werte ermitteln. Üblich für Hobbyfahrer ist ein Training nach Pulswerten. In einem Leistungstest nach Conconi oder nach Laktat werden die Pulsfrequenzen ermittelt. Das sind die vier Pulsbereiche, in denen man abwechselnd trainiert: Regeneration, Grundlage, Entwicklung, Spitzenbereich, auch "roter" oder "saurer" Bereich genannt. Dazu wird der Maximalpuls gemessen. Nun weiss jeder ziemlich genau, wo die  Belastungsschwellen liegen. Das wichtigste dabei ist die
Schwelle vom aeroben zum anaeroben Bereich, also die "saure" Zone. Wer lange fahren will, sollte diesen Bereich meiden. Wer mehr auf Sprintfahrten setzt, sucht die rote Zone gezielt. Es gilt,
bewusst und in definiertem Umfang den jeweiligen Bereich zu waehlen. Dabei nie eine ganze Ausfahrt in nur einem Bereich fahren (ausser Regeneration). Viele waehlen dafuer das sogenannte "freie Fahrt-Spiel", bei dem man den Bereich nach Gelaende, Verfassung und natuerlich Trainingsziel waehlt. Ideal ist ein Mix mit etwa 40 % Entwicklungsbereich, 20 % Regeneration, je 20 % Grundlage und Spitzenbereich. Bei jeder Trainingsfahrt sollte man locker einfahren und ebenso die letzten paar Kilometer locker, mit hoher Kadenz und tieferem Puls ausfahren.

Dazu ist die Anschaffung eines Velocomputers mit Frequenzanzeige ratsam. Das kostet ein bisschen was, bringt aber das entscheidene Plus fürs Training. Man fährt erst richtig, wenn man neben seinen Pulswerten auch seine Umdrehungswerte kennt. Dazu später, wenn es um Technik geht.

Training in Blöcken
Das Entscheidende am Training ist die Systematik. Einfach nur losfahren und radeln, geht nicht! Es braucht ein System. Optimal trainiert man in Dreier- oder Viererblöcken, steigert die Belastung langsam, nimmt sie zurück, steigert sie wieder, nimmt sie wieder zurück, setzt dabei immer ein bisschen höher an. Das macht man etwa drei Wochen, regeniert und fängt wieder von vorne an. Beispiel für einen Dreierblock, bei angenommen dreimal pro Woche Training: Mo-Di-Mi-Pause-Sa-So-Mo-Pause-Do-Fr-Sa-Pause-Di-Mi-Do usw. Beispiel für Umfänge in Minuten: 75-90-110-Pause-90-110-120-Pause-110-120-135-Pause usw. Wichtig: Umfang immer leicht erhöhen, um ein Trainingsresultat zu erreichen. Ebenso wichtig: Nach dem Drei-Wochen-Block eine Woche locker und weniger fahren, um den Körper zu regenerieren. Dann kann wieder mit einem Block begonnen werden, diesmal mit 10-15 % mehr Umfang.

Immer schön erholen
Nun steht der Zeitrhythmus. Niemand muss sich stur dran halten. Der Körper ist da nicht pingelig, aber er braucht Regelmässigkeit. Wie fährt man nun diese Trainings? Der wichtigste Rat heisst Abwechslung. Nicht immer die selbe Runde, nicht immer im selben Tempo, nicht immer zu selben Zeit. Um es jetzt nicht zu wissenschaftlich zu machen: Am besten fährt man seine Runde in Intervall-Tempi. Beispiel: pro Stunde Training viermal fünf Minuten mit schärferem Tempo. Nicht bolzen, aber zügiger. Nach fünf Minuten zehn Minuten ruhig und locker weiter, bis der Puls wieder schon unten ist. Dann wieder Gas geben, nach fünf Minuten wieder runter schalten. Das System liegt darin, dem Körper Herausforderungen anzubieten, aber auch Erholung. Man kann dieses Prinzip nach eigenen Wünschen gestalten und ergänzen, etwa durch Sprints (150 Meter) oder längere Anstiege (3 - 8 Km). Danach immer schön erholen!

Gänge sind zum Schalten da
Das zweite „T“ heisst Technik. Wieviele Gänge hat ein Rennrad? Egal ob 20 oder 30, sie sind zum Benutzen da! Ein guter Velofahrer ist ständig am Schalten. Das dynamische Hin-und-Herschalten ist ökonomisch, und dadurch auch schnell. Jetzt kommt die Frequenz ins Spiel: Sie drückt das komplizierte Gefüge zwischen Muskelkraft und Fahrtechnik aus. Die meisten fahren zu tiefe, schwere Gänge. Den Radcrack erkennt man an der hohen Trittfrequenz. Ein Durchschnittstritt von 85-92 pro Minute fuer eine Trainingsausfahrt ist ideal. Bergauf soll die Umdrehung mindestens bei 60 liegen, in welligem Gelände zwischen 75 und 90, in der Ebene zwischen 90 und 110. In welligem Gelänge und bei Wind kann man die Trittfrequenz durch Höherschalten gleich halten. Nicht in die Welle drücken, bis die Beine weh tun. Wächst der Widerstand, einmal schalten, weiter drehen, wieder schalten. So fährt man ökonomisch. Wie das geht? Üben!

Gute Frequenz braucht einen runden Tritt. Also nicht immer vorne runter stampfen, sondern möglichst rund treten: vorne runter, hinten ziehen, wie beim Schuhe-abstreifen. Dass lässt sich am besten im Fussbereich spüren, wo die Pedalplatte liegt. Etwa zwei Minuten üben, bewusst und immer wieder. Auch Profis schulen permanent ihren runden Tritt.

Ruhe auf dem Rad
Runder Tritt setzt Ruhe auf dem Rad voraus. Nicht mit den Schultern bei jeder Umdrehung wiegen, keine kleinen Kurven mit dem Vorderrad! Das darf man höchstens bei extremen Anstiegen. Radfahren ist wie Skifahren, es geschieht aus den Beinen. Ruhiger Oberkörper, leicht angewinkelte Arme, Kopf hoch, Lenker festhalten, beim Anstieg leicht daran ziehen. So geht die Kraft direkt ins Pedal. Auch hier gilt: üben. Es kommt schon, nur Geduld. Das Motto: möglichst gleichmässig fahren, immer mit Druck aufs Pedal. Nicht fest, aber spürbar. Je schneller, desto härter spürt man den Druck. Wird er zu gross: schalten! Will der Pilot regenerieren: Druck weg, Frequenz halten, hoch schalten ("hoch" = "hohe Anzahl Zaehne", bzw. von rechts "unten" nach links "oben"). So wird er langsamer, dreht aber weiterhin richtig.

Nun zum dritten „T“, der Taktik. Training ist bewusster Sport, also mit Taktik. Die Einheit beginnt mit Einfahren und endet mit Ausfahren. Locker, in hoher Frequenz, ruhiger Atmung. Wer warm ist, kann mehr Leistung zeigen. Schneller fahren in der Gruppe lässt sich auch mit ein paar Tricks, etwa indem man beim höchsten Punkt eines Anstiegs sofort schaltet, nochmal Druck gibt, kurz beschleunigt, anstatt die Beine hängen zu lassen. So ist man früher und schneller in der Abfahrt, wo es sich dann ausruhen lässt.


Foto: So fährt man Rad an Rad - Swissteam 2010 an der Tortour auf dem Weg ins Ziel



Am Hinterrad kleben
Schneller macht auch der Windschatten deines Vordermanns. Das braucht etwas Mut, denn dazu muss man auf einen halben Meter oder noch näher ans Hinterrad, leicht versetzt innen oder aussen. Konzentration! Haenge dich nur an einen Fahrer, dem du vertraust. Je besser der Pilot vor dir, desto gleichmässiger fährt er, und desto näher kann man an sein Hinterrad. Im Windschatten lassen sich etwa 35 Prozent Energie sparen. Also perfekt zum Ausruhen. Zum Schneller-Werden-Training müssen Rennradler aber immer wieder im Wind fahren, sonst bleiben sie unter ihrem Potential. Taktisch trainieren heisst auch, nach Abzweigungen, Ampeln oder generell zum Anfahren mit Druck und in hohem Gang kurz beschleunigen, dann ruhig weiterrollen. Ziele setzen: nicht einfach losfahren, sondern die Route variieren. Mal alleine fahren, mal in der Gruppe. Mal hier mal dort. Abwechslung ist die beste Taktik, schneller zu werden. Viel Spass!


Links: 
Achim Schmidt, Handbuch Radsport, Verlag Meyer&Meyer
Guy Andrews, Simon Doughty, Handbuch Radsporttraining, Delius Klasing