Der Rennrad - Dresscode



Original-Publikation vom 10. 9. 2011: 
http://suite101.de/article/radsport-und-bekleidung-der-rennrad-dresscode-a123335

Gute Kleidung auf dem Rennrad muss nicht schön, aber funktionell sein. Welche Kleider eignen sich am besten und wie setzt man sie clever ein?



Wind kann auch bei schönem Wetter gefährlich sein. Bei Abfahrten etwa kann der Körper zu stark auskühlen. Aermlinge und eine Weste sollte man bei längeren Ausfahrten immer dabei haben - auch auf Sardinien.
jok. Man muss es leider so sagen: Mehr als die Hälfte der Radsportler, die auf den Strassen übers Jahr unterwegs sind, sind falsch angezogen. Also entweder zu warm oder zu kalt. Beides ist nicht gut. Denn wer zu warm eingehüllt ist, fühlt sich unwohl, bleibt unter seiner Leistung, schwitzt zu stark, könnte sich sogar überhitzen, und hat zudem ein erhöhtes Erkältungsrisiko. Die warme Jacke bei 19 Grad ist also eindeutig zu viel. Vor allem im oberen Körperbereich, wo wir am meisten „heizen“, ist die richtige Betriebstemperatur besonders wichtig. Auch wer zu leicht angezogen ist, fühlt sich nicht wohl, kühlt stark aus und riskiert seine Gesundheit. Wie also richtig anziehen?

Der Wind-Kühlungs-Effekt
Grundsätzlich gilt auf dem Rad, bei der Kleiderwahl den Effekt des Windes zu bedenken. Dazu muss man vor der Ausfahrt die Ausgangstemperatur kennen und sich ein paar Gedanken machen. Welche Route, wie lange, ist es windig? All das beeinflusst die Kleiderwahl. Natürlich hat jeder Mensch seine eigene Betriebstemperatur. Doch als Faustregel gilt: kurz-kurz, also kurze Hosen, kurzes Trikot, tragen wir erst ab 20 Grad. Weil der Wohlfühlbereich sehr individuell ist, können Armlinge und Knielinge, oder die Wahl von Trikot und Unterhemd den entscheidenden Unterschied machen. Das gilt vor allem in der Übergangszeit, in der es schneller frisch wird.

Haut soll trocken bleiben
Wer also nicht nur bei Sommertemperaturen Velo fährt, sollte seine Garderobe nach dem Zwiebelsystem sortieren. Dazu gehören zum Beispiel Unterhemden aus verschiedenem Material. So wird man bei 26 Grad ein dünnes, ärmelloses Netzunterhemd wählen, bei um die 20 Grad mit Nordostwind eventuell eines aus Merinowolle, dagegen ein Thermounterhemd mit einer Extraschicht im Brustbereich bei kühlen 17 Grad. Je nach Trikot (dünn oder dicker, langarm oder kurzarm) variiert man das Unterhemd, oder umgekehrt. Warum überhaupt ein Unterhemd? Weil es, Funktionsfaser vorausgesetzt, für den Schweisstransport von der Haut nach aussen sorgt, damit die Haut möglichst lange trocken bleibt. Ziel jeder Funktionskleidung ist es ja, die Körpertemperatur ausgegeglichen zu halten.

Gegen Wind und Sonne
Radbekleidung ist in erster Linie Schutzkleidung. Radsportler sind Sonne und Wind, Kälte oder Wärme ausgesetzt. Je nach Pilotin sind verschiedenen Körperbereiche besondes zu schützen: Knie, Nieren, Frontpartie, Schultern und Oberarme sowie Kopf, Hände und Füsse. Viele Velosportlerinnen unterschätzen den Zugeffekt des Windes. So sind etwa ärmellose Trikots bei Frauen sehr beliebt. Und viele Triathleten zeigen auf dem Rad mehr Haut als Können. Das mag sexy aussehen, aus gesundheitlicher Sicht aber ist es Blödsinn. Auch wer etwa im Mai bei 18 Grad und nur weil die Sonne scheint mit kurzen Hosen und ohne Windschutz am Rumpf radfährt, setzt Gelenke und Muskulatur mehr Kälte aus, als diesen recht ist: Das Risiko für Verletzungen, Unterkühlung und langfristige Schäden steigt.

Trikottaschen nutzen
Es gibt zahlreiche flexible Kleidungsteile, die relativ leicht sind und auch Platz in der Trikottasche haben. Dazu gehören Kopftücher (bei Hitze) oder Kappen (bei Kälte), die unter den Helm passen. Zum Schutz der Extremitäten tragen Profis Ärmlinge, die man abstreifen oder ganz ausziehen kann, wenns wärmer wird. Knielinge wärmen nicht nur Knie, sondern auch die Oberschenkel und werden unter den Beinteilen der Radhose getragen.


Foto: Radfahren im Frühjahr auf Mallorca bei 16 Grad. Da sollte man verschiedene Schichten tragen, um varieren zu koennen. Die schicke lange Jacke (rechts) wird vielleicht schon mittags zu warm.


Der Kluge wechselt zur Weste
Besonders nützlich zur Wärmeregulierung erweisen sich Westen. Sie schützen den Oberkörper, lassen aber im Schulterbereich noch Luft einströmen. Auch im Sommer sollte man auf längeren Ausfahrten eine dünne Weste (Gilet) im Trikot haben, um sich auf längeren Abfahrten oder in den kühleren Morgen- und Abendstunden gegen Auskühlung zu schützen.
Ebenso wird man je nach Temperatur verschiedene Handschuhen wählen: Zwischen ganz dünnen für den Hochsommer und warmen Ganz-Fingerhandschuhen kann man sich im Fachhandel alles aussuchen. Auch die Füsse lassen sich verschieden temperieren. Das beginnt bei der Wahl der Socken und führt, je nach Wetter, zu wärmenden oder Wasser abweisenden Überziehern. Apropos Socken: Sie sollten höchstens knapp über den Knöchel gehen. Im Hochsommer reichen Footies, die aber nicht zu knapp geschnitten sein dürfen, damit sie nicht in den Schuhen verschwinden und zu Beschwerden führen.

Der Temperaturregler
Eine grossartige Erfindung aus dem Jahre 1892 macht das Radfahren viel angenehmer: der Reissverschluss. Nach dem Motto „ab“ im Anstieg und „rauf“ in der Abfahrt, lässt sich mit dem Reissverschluss die „Heizung“ gut einstellen. Die verschiedenen Schichten wie Trikot / Weste oder Trikot / Jacke lassen sich gut am Hals regulieren. Sie werden staunen, welchen Unterschied dort drei Zentimeter offen oder geschlossen ausmachen. Und zuletzt noch ein Tipp: Auch die gute alte Vaseline nützt gut als Schutz gegen kühle Temperaturen.

 
Die perfekte Rad-Garderobe im Schrank
(April-Oktober)

o      Rennhose
o      Trikot langarm/kurzarm
o      Weste leicht / warm (Windstopper)
o      leichte Jacke
o      Ärmlinge
o      Knielinge
o      verschiedene Funktionsunterwäsche
o      verschiedene Socken
o      verschiedene Handschuhe
o      event. Kopfbedeckung unterm Helm