Der Klassiker "Trondheim-Oslo" gehört mit 540 Km zu den
wirklich langen Radmarathons Europas. Johannes Kornacher
war 2007 dabei. Ein Bericht über viel Leiden und kaum Spass.
jok. Es wäre ja nett, nach 23 Uhr noch im Hellen Rad zu fahren. Man sieht die Schlaglöcher und auch etwas von der Landschaft. Wäre da nicht der Regen. Immer nur Regen. Seit über 11 Stunden regnet es nun. Entweder duschen einen die Hinterräder der Vorderleute ab, oder es prasselt aus allen Wolken. Zur Nässe kommt irgendwann die Kälte. Und dann wird’s gefährlich. Mein Freund Harry Nussbaumer hat sich gerade zurückfallen lassen. Er friert so sehr, dass er mit dem Daumen nicht mehr die Gänge schalten kann. Seine Finger sind klamm, er hat Mühe zu bremsen oder den Bidon aus der Halterung zu ziehen. Nun fährt er hinten im Windschatten und macht Aufwärmübungen.
wirklich langen Radmarathons Europas. Johannes Kornacher
war 2007 dabei. Ein Bericht über viel Leiden und kaum Spass.
jok. Es wäre ja nett, nach 23 Uhr noch im Hellen Rad zu fahren. Man sieht die Schlaglöcher und auch etwas von der Landschaft. Wäre da nicht der Regen. Immer nur Regen. Seit über 11 Stunden regnet es nun. Entweder duschen einen die Hinterräder der Vorderleute ab, oder es prasselt aus allen Wolken. Zur Nässe kommt irgendwann die Kälte. Und dann wird’s gefährlich. Mein Freund Harry Nussbaumer hat sich gerade zurückfallen lassen. Er friert so sehr, dass er mit dem Daumen nicht mehr die Gänge schalten kann. Seine Finger sind klamm, er hat Mühe zu bremsen oder den Bidon aus der Halterung zu ziehen. Nun fährt er hinten im Windschatten und macht Aufwärmübungen.
Regnet es immer in Norwegen?
Trondheim – Oslo, der Klassiker, ist mal wieder die Hölle.
Einzig 2003 soll es in den letzten Jahren nicht geregnet haben. Sonst immer.
Pünktlich zur Mitsommernacht, dem wichtigsten Tag in Norwegen. Ein berühmtes
Radrennen, aber auch berüchtigt. Denn 540 Kilometer sind kein Spaziergang, und
bei Regen und Wind können sie richtig hart werden.
Dabei hat es morgens nur getröpfelt. Um 8.20 Uhr war unser
Hans-Grohe-3-Länderteam, eine zusammengewürfelte Mannschaft von 21
Hobby-Rennfahrern aus der Schweiz, Deutschland und Österreich, beim Dom von
Trondheim ins Rennen gegangen. Dazu zehn Betreuer in vier Autos. Unter
Polizeieskorte sausen wir mit 40 km/h in Zweierreihe aus der Stadt. Bald gibt
Harry, der zweite Capitän, die Anweisung zum Kreiseln. Nun überholt die rechte
Reihe die linke. Vorne im Wind zieht man dann weich nach innen und gibt dem
vordersten Fahrer der linken Reihe Windschatten. So kommt einer nach dem
anderen rechts nach vorne und fährt links wieder nach hinten. Mit diesem System
können Gruppen lange sehr schnell fahren, weil jeder nur kurz im Wind Kraft
braucht. Doch dafür ist höchste Konzentration gefragt. „Tempooo“ ruft Harry, der Zug beschleunigt. Keiner redet ein Wort. Es
geht bergab, es ist nass. Wir sind fast 70 Km/h schnell, auf 23 Millimeter
schmalen Pneus, mit weniger als einem halben Meter Abstand zueinander. Da sollte man nicht
viel denken. Nach 75 Minuten passieren wir die Gruppe, die fünf Minuten vor uns
gestartet war. Alles läuft nach Plan.
Einmal unkonzentriert - schon ist es passiert
Dann passiert, wovor alle Angst haben. Mit Tempo 45
überholen wir einen Radler, ein Lastwagen kommt entgegen. Der Capitän ruft. Vor mir wird einer unruhig, zieht nach innen, fünf Zentimeter zuviel, ein
Rempler, Schreie. Instinktiv reisse ich das Velo hoch und springe über ein
flach liegendes Hinterrad. Drei Mann am Boden. Die Betreuer springen aus den
Autos zu den Gestürzten. Schnell werden die Wunden versorgt. Ich kann nicht
hinsehen. Versuche, den Schrecken abzustreifen. Ein Schluck Cola. Der Zug formiert
sich, rollt langsam wieder an. Noch 420 Kilometer. Werden die Jungs
durchhalten?
Bei Km 130 lief noch alles gut - und der Regen machte Pause.
Bei Km 130 lief noch alles gut - und der Regen machte Pause.
Bunter Haufen: das Hans-Grohe-3-Länderteam.
Noch weit bis Lillehammer
Sie hielten durch, fast noch 13 Stunden lang. Mit welchen Schmerzen, wissen nur sie selbst. Man muntert sie auf, hält sie aus dem Wind. Irgendwie geht’s schon. Es hat sogar aufgehört zu regnen. Wir fahren von Meereshöhe hinauf auf ein Hochplateau auf 1000 Meter. Oben Pinkelpause, neue Flaschen, ein Wort mit den Betreuern wechseln, neuer Kaugummi. Nach zwei Minuten weiter. Noch 190 Kilometer bis Lillehammer. Vorbei an Dörfern, Wildbächen, endlosen Seen. Und wieder Regen. Wasser und Dreck im Gesicht, in den Schuhen, überall. Zwischendurch immer kleine Schlücke trinken, alle 45 Minuten eine Kleinigkeit essen. Der Betreuer reicht mir ein tolles Sandwich aus dem Auto. Meine Belohnung! Doch nach zwei kleinen Bissen übersehe ich eine Bodenwelle, und das wertvolle Ding rutscht mir aus der Hand.
Die Krise kommt immer
Endlich kommt Lillehammer. Es regnet ununterbrochen. Wir
sind langsamer geworden. Nur noch 18 sind von uns im Rennen, davon zwei verletzt.
Das reicht nicht, um das Tempo noch zu forcieren. Meine Motivation schwindet.
Die Krise, sie kommt. Sie dauert fast eine Stunde. Ich fahre, und ich hasse das
alles. Noch knapp fünf Stunden. Dann werden wir von der norwegische Gruppe
überholt. Unser Vorsprung von acht Minuten war durch den Sturz und eine
Zusatzpause zusammengeschmolzen. „Ankommen“, sagt der Capitän. Kein Risiko
mehr. Kurz nach Mitternacht wird es endlich dunkel. Der Regen hat uns zermürbt,
jetzt hört er auf. Mit über 50 sausen wir hinunter nach Oslo. Nach 16 Stunden
und 41 Minuten bleibt die Uhr stehen. Uns bleibt die Mischung aus Stolz,
Enttäuschung und der Erleichterung, dass nichts wirklich Schlimmes passiert
ist.
Nur noch müde. Die Prellungen tun weh: einer der verletzten Fahrer nach dem Rennen.