Aus "Lichtblicke", Schweizerischer Blinden- und Sehbehindertenverband, 2010
Diabetiker müssen regelmässig zum Augenarzt. Eine
Netzhauterkrankung kann sie sonst blind machen.
Viele Menschen wissen gar nicht, dass sie Diabetes haben.
Diese chronische Stoffwechselerkrankung betrifft etwa 3,5 Prozent der Bevölkerung,
weltweit rund 246 Millionen Menschen. Vor allem der Typ 2 ist auf dem
Vormarsch. Er macht rund 90 Prozent aller Diabetes- Erkrankungen aus. Diabetes
2 ist vererblich, bricht aber erst durch Übergewicht, Bewegungsmangel und in
höherem Alter aus. Diabetes bedroht den Blutdruck, den gesamten Stoffwechsel,
Gehirn, Nieren, Herz – und die Augen: Diabetes kann sogar blind machen.
Regelmässig Radfahren senkt das Risiko signifikant, an Diabetes zu erkranken.
Unbemerkte Blutungen
Schuld daran sind drei Erkrankungsformen: Die Katarakt, eine
Eintrübung der Linse, betrifft etwa sieben Prozent der Diabetiker. Glaukom,
eine Sehnervschädigung durch erhöhten Augeninnendruck, tritt bei Diabetes
häufig auf. Die grösste Gefahr für Diabetiker ist aber die Netzhauterkrankung
«diabetische Retinopathie». «Sie gilt in der westlichen Welt als die
zweithäufigste Erblindungsursache », sagt Sebastian Wolf, Chefarzt der
Universitätsklinik für Augenheilkunde am Inselspital Bern. «Bei Menschen bis 65
Jahre ist sie sogar der häufigste Grund für eine Erblindung.»
Weltweit verliert etwa alle 90 Minuten ein Mensch
durch die
diabetische Retinopathie
sein Augenlicht.
Das müsste nicht sein. Doch viele Diabetiker gehen nicht zum
Augenarzt, weil sie keine Beschwerden verspüren. «Treten dann die ersten
Sehbehinderungen auf, ist es bereits zu spät», weiss Professor Wolf. Meist
kommen zunächst kleine rötliche Punkte auf der Netzhaut vor. Diese
Punktblutungen bleiben noch unbemerkt. Später geraten aber Blut und andere
Flüssigkeiten auf den Glaskörper des Auges, weil Blutgefässe ins Augeninnere
hineinwachsen. «Das wissen wir alle: Tropfen auf einem Glas ergeben schlechte
Sicht», so der Augenspezialist. Diabetes müsste keine Gefahr für das Augenlicht
sein. Die Medizin macht in der Behandlung der diabetischen Retinopathie grosse
Fortschritte. Würden sich alle Betroffenen regelmässig untersuchen und
behandeln lassen, könnte man in etwa fünf Jahren 90 Prozent aller Erkrankungen
verhindern. •
Bei Diabetes sofort zum
Augenarzt
Interview mit Professor Dr. med. Sebastian Wolf,
Universitätsklinik für Augenheilkunde, Bern
Warum bedroht Diabetes das Augenlicht? – Durch
die reduzierte Durchblutung im Auge verschliessen sich allmählich die
Blutgefässe. Das Auge reagiert mit der Bildung neuer Gefässe, die dann bis ins
Augeninnere wachsen. Gleichzeitig werden die originalen Gefässe undicht und
Blut tritt aus. Das führt zur Erblindung.
Lässt sich das vermeiden? – Das Risiko für
Diabetes 2 lässt sich durch gesunde Ernährung, Nikotinverzicht und Bewegung
stark reduzieren. Bei Diagnose Diabetes sollte man sofort zum Augenarzt gehen,
später einmal pro Jahr.
Wie behandeln Sie die Retinopathie? – Zunächst
müssen Blutdruck und Blutzuckerspiegel gut eingestellt sein. Sammelt sich
Flüssigkeit in den Gefässen, können Medikamente die Durchlässigkeit
normalisieren. Mit Laser operieren wir beschädigte oder abnorme Blutgefässe.
Und als letzte Massnahme lässt sich mit einer Operation ausgetretenes Blut
entfernen.
Wie sind die Zukunftsaussichten für die Therapie? – Ohne
regelmässige Kontrolle bleibt das Erblindungsrisiko bei Diabetes weiterhin
hoch. Aber wir bekommen immer bessere Behandlungsmethoden. Damit würde die
Erblindung kein grosses Thema mehr sein. Allerdings nur, wenn der Patient
mitmacht.